Unrechtsbewusstsein

Erwachsene Menschen könnten aus Erfahrung wissen, dass Männer und Frauen unterschiedlich genug veranlagt sind, um mittlerweile verschiedenen Planeten zugeordnet zu werden.
Dennoch kommt es immer wieder zu Unverständnis über das charakterliche Strickmuster des Partners.

Das Strickmuster der Männer

Sandra schlägt Hans vor, den Kundenservice zu bestellen, weil die Waschmaschine kaputt ist. Hans hört heraus, dass sie ihm nicht zutraut, den Fehler selbst zu finden und macht sich an die Reparatur. Sandra versucht, ihn davon abzuhalten, die Maschine in alle Einzelteile zu zerlegen. Vergeblich. Am Ende muss eine neue Maschine her, die nun teurer ist als die Reparatur durch einen Fachmann es gewesen wäre. Für Sandra unbegreiflich: Warum kann Hans nicht zugeben, dass es vernünftiger gewesen wäre, auf ihren anfänglichen Vorschlag einzugehen?

Nicht nur für Sandra, sondern für alle Frauen ist es rätselhaft, warum ein Mann, der offensichtlich im Unrecht ist, Schwierigkeiten hat, das zuzugeben. Da Frauen umgekehrt dieses Problem in dieser Form nicht haben (sie gehen davon aus, dass es menschlich ist, nicht immer im Recht zu sein), können sie kaum nachvollziehen, was in einem Mann vorgeht, der sich mit starrer Miene abwendet oder herumschreit, nur weil er einen Sachverhalt offensichtlich falsch eingeschätzt hat.

Warum können Männer ihr Unrecht nicht eingestehen?

Was Frauen nicht wissen: Ein Mann fühlt sich wie ein Versager, wenn er nicht im Recht ist oder etwas offensichtlich falsch gemacht hat. Zum Wohl seiner Familie möchte und muss er Recht haben: Schließlich sollen die, für die er sorgen will, sich auf ihn und seine Urteilskraft verlassen können, damit sie sich sicher fühlen und zu ihm aufschauen. Nichts ist für einen Mann schlimmer, als ständig bewiesen zu bekommen, dass er die Frau, die er liebt, nicht glücklich machen kann. Glücklich machen will er sie vorrangig mit dem, was er ihr zu bieten hat: Mit seinem Erfolg im Beruf und/oder mit seinen praktischen Fähigkeiten, wenn es darum geht, etwas im Haushalt zu reparieren und nicht zuletzt mit seinen fundierten Ratschlägen, wenn sie Probleme hat.

Er ahnt nicht, dass diese Dinge für eine Frau meist zweitrangig sind, denn ihr Glück hängt weniger von diesen als von rein emotionalen Faktoren ab. Sie möchte, dass er ihr verständnisvoll zuhört, wenn sie über ihre Probleme berichtet. Seinen Trend, ihr Ratschläge zu erteilen, empfindet sie als Besserwisserei, die dazu dient, genau jenes Gespräch zu verhindern, das sie gerne vertrauensvoll und ohne seine Belehrungen geführt hätte.

Wie es scheint, trennen Mann und Frau nicht nur Welten, und leider sind es wieder mal die Männer, die mit ihren Verhaltensweisen stärker ins Licht der Kritik gerückt sind als die Frauen. Ihr Habitus erscheint nicht souverän genug oder gar präpotent. Dass die Männer Opfer ganz archaischer Muster sind und ihr Verhalten ebenso wie die Frauen nur zu einem geringen Teil willentlich steuern, wird dabei nur allzu leicht übersehen. Das schon in grauer Vorzeit verankerte männliche Verhalten wurzelt nämlich in der damaligen Notwendigkeit, zum Schutz der Sippe um jeden Preis die Kontrolle über alles zu behalten, und sei es nur scheinbar.

Für einen Mann ist es deshalb nur schwer zu verstehen, dass eine Frau einen Mann nicht als Versager ansieht, wenn er etwas falsch macht: Sie möchte dem Mann, den sie liebt, helfen, ein besserer Mensch im ganz menschlichen Sinne zu werden. Wenn er daraus schließt, dass er so wie er ist, nicht gut genug für sie ist, irrt er sich gewaltig: Eine Frau liebt und achtet einen Mann umso mehr, wenn er zugeben kann, einen Fehler gemacht zu haben. Wenn er es gar schafft zu sagen "Es tut mir leid!", ist er in ihren Augen förmlich über sich hinaus gewachsen.


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