Teil 1: Dauerkrieg?!

Endlich ist sie da, unsere neue Serie über die Verschiedenheit von Frauen und Männern. Hier wollen wir erkunden und uns fragen, welche Chancen ein neuer Frieden zwischen den Geschlechtern im 21. Jahrhundert hat.
Kein Thema hat so viele Bücher mit so hervorragenden Verkaufszahlen hervorgebracht, wie die Schwierigkeiten, die Frauen und Männer im täglichen Umgang miteinander haben. Die 6magazin-Redaktion hat sich entschlossen, den verschiedenen Aspekten des Mann- und Frau-Seins in der Persönlichkeitsentwicklung, im Beruf und in der Partnerschaft in einer Reihe von Artikeln nachzugehen.

Schaut man sich die Titel der Erfolgsbücher an, so scheint der Krieg das vorherrschende Thema zu sein. Ute Ehrhardts millionenfach verkaufter Ratgeber "Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin", monatelang auf Platz 1 der deutschen Bestsellerliste, heißt im Untertitel "Warum Bravsein uns nicht weiterbringt" und fordert zum Kampf gegen männliches Rollenverhalten nicht nur in der Betriebshierarchie, sondern auch im heimischen Wohnzimmer auf. Die amerikanische Autorin Harriet Rubin verkaufte ihren "Machiavelli für Frauen" hierzulande rund hunderttausend Mal. Der Untertitel "Strategie und Taktik im Kampf der Geschlechter" verrät, dass hier Waffen für den Krieg gegen den Mann geliefert werden, insbesondere gegen Ehemänner und Liebhaber. Hinzu kommen männliche Selbstanklagen. "Männer lassen lieben. Die Sucht nach der Frau" heißt ein hunderttausendfach verkauftes Buch des Therapeuten Wilfried Wieck. Achtzig Prozent der Kaufwilligen waren Frauen. Die theoretische Begründung, warum Männer und Frauen einander befehden, lieferte Deborah Tannen in "Du kannst mich einfach nicht verstehen", das in kurzer Zeit viele Auflagen erlebte.

Selbstverständlich gibt es auch andere Werke auf unserem pluralistischen Büchermarkt. Verschiedene Ratgeber empfehlen goldene Regeln für eine langjährig harmonische Ehe. Eine Autorin, Susan Page, verrät sogar, wie Sie im Alleingang das Glück in Ihre Beziehung zurückbringen können. Ihr Buch heißt "Jetzt mache ich uns glücklich. Liebevolle Lenkung in Partnerschaft". Allerdings besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Werken, die auf Verständigung und Kooperation zielen und den oben zitierten Kampfansagen. Die kooperativen Autoren verkaufen kaum ihre erste Auflage von wenigen tausend Exemplaren. Die Bücher zum Krieg der Geschlechter werden fast ausschließlich von Frauen gekauft. Enttäuschte Liebe, uneinsichtige, sich autoritär gebärdende Männer in Beruf und Partnerschaft weckten die Sehnsucht nach dem großen Befreiungsschlag. Es ihnen mit gleicher Münze heimzahlen oder mit überlegenen, raffinierten weiblichen Waffen männliche Kraftmeierei außer Gefecht setzen – wer dafür die geeigneten Rezepte liefert, kann sich einer großen Schar von Anhängerinnen gewiss sein. Gewisse Erfolge sind sichtbar. Im Kino, im Fernsehen und in Computerspielen sind sanfte Betthäschen, die bewundernd zu starken Männern wie James Bond aufschauen, selten geworden. Die schöne, eiskalte Powerfrau ist die Heldin von heute, die reihenweise schmalspurige Muskelprotze niederwalzt und sich so für Erniedrigung und Betrug rächt. Im Beruf und in der Ehe gibt es Veränderungen, zum Teil durch neue Gesetze gefördert, die es Frauen leichter machen, ihre Rechte durchzusetzen.

Und die Männer? Entgegen dem Bild, das noch viele Bücher und Filme verbreiten, haben sich auch die Männer gewandelt. Neue Untersuchungen belegen, dass der traditionelle Macho, der meint, eine Frau gehöre an den Herd, sich stark auf dem Rückzug befindet. Die "neuen" Männer, die weder Softie noch Macho sind, breiten sich aus. Karriere ist ihnen nicht mehr so wichtig, sie kümmern sich um Kinder und Familie, und zwar nicht nur in großspurigen Versprechungen, sondern mehr und mehr auch im realen Alltag. Die meisten Männer freilich sind verunsichert und vorsichtig. Auf all die Kampfparolen, Forderungskataloge und Anklagen, die sie sich Tag für Tag anhören müssen, reagieren sie mit Rückzug. "Ehe ich mir dauernd sagen lassen muss, dass ich unsensibel bin und was ich alles tun muss, damit es eine Frau bei mir aushält, kommuniziere ich lieber mit meinem Computer." Mit diesen Worten sprach einer von ihnen aus, was viele denken.

In der Tat:
Noch nie gab es so viele Singles in Deutschland und noch nie so viele Trennungen. 1998 ließen sich 195.000 Paare scheiden – neuer Rekord. Freilich war auch noch nie die Zahl der Wiederverheiratungen so hoch wie heute. Die meisten, die in einer Ehe gescheitert sind, versuchen es erneut. Wir wollen in den folgenden Artikeln die Verschiedenheit von Frauen und Männern in ihren unterschiedlichen Aspekten beleuchten. Endgültige, perfekte Antworten werden auch wir nicht liefern können. Es wird immer ein letztes Geheimnis übrig bleiben – zum Glück, denn wo bliebe ohne das Rätselhafte die Anziehung der Geschlechter? Wir möchten Frauen und Männern helfen, einander besser zu verstehen. Ob Sie die Informationen, die Sie bei uns erhalten als Kampfmunition oder für eine bessere Verständigung nutzen, bleibt Ihre Entscheidung. Wir möchten lediglich zeigen, wie Frauen und Männer denken und fühlen, was sie wünschen, erwarten und wie sie sich verhalten. Dabei beobachten wir Männer und Frauen nicht nur als Einzelpersonen, sondern auch ihren Umgang miteinander in Partnerschaften, im Beruf, in Freundschaften, als Geschwister und so weiter.

Insbesondere werden wir das reale Verhalten von Frauen und Männern mit den Idealen vergleichen, die sich in den Worten "weiblich" und "männlich" widerspiegeln. Ein Zitat aus dem schon erwähnten Bestseller "Machiavelli für Frauen" soll die Schwierigkeiten zeigen. Die Autorin

Harriet Rubin schreibt auf Seite 64: "Irgendwann einmal wird man Stalin nur mehr als einen Tyrannen kennen, der in der Zeit der Dichterin Anna Achmatova lebte. Sie wird noch lange verehrt werden, wenn dieser mörderische Diktator nur mehr eine Erinnerung sein wird, ebenso wie wir heute lieber von den hübschen kleinen Kämpfen lesen, die Marc Aurel mit seinem Gewissen ausfocht, als von den groß zelebrierten Plünderungen Julius Cäsars. [...] Die Eroberungen der alten Despoten sind nie von Dauer gewesen. Alle Beispiele zeigen, dass nur das Weibliche, nicht die von Befehl und Kontrolle gelenkte Strategie die Zeiten überdauert."

Ob der römische Kaiser Marc Aurel sich als weiblichen Charakter bezeichnet hätte, nur weil er im Feldlager an der Grenze Germaniens auf einer rauen Matratze nach blutiger Schlacht an seinen "Selbstbetrachtungen" schrieb? Wie weit sind die Tugenden, die hier als "weiblich" bezeichnet werden, tatsächlich "typisch Frau"? Wie weit findet man sie bei Männern? Und umgekehrt: Verfügte die eiserne Lady Margaret Thatcher über einen "männlichen" Charakter? Was also haben die Eigenschaften "männlich" und "weiblich" mit den realen Frauen und Männern zu schaffen? Es handelt sich um mehr als ein bloßes Spiel mit Worten. Die Emanzipationsbewegung steckte immer in einem Dilemma. Sind Frauen den Männern gleich, können sie genau die gleiche Aufgaben auf die gleiche Weise erfüllen, ist also "weibliches" Verhalten nur eine Erfindung der Männer, um Frauen als Konkurrentinnen fern zu halten? Oder sind Frauen ganz anders und deshalb den Männern überlegen? Dann wäre "Weiblichkeit" ein Ideal, zu dem Männer erst erzogen werden müssen.