Sexualität heute

Partnerschaft, die auf Geborgenheit und Gefühlsintensität basiert und weniger auf Sexualität, steht bei immer mehr jungen Menschen wieder hoch im Kurs. Das beobachten Sexualwissenschaftler anhand empirischer Daten. Auf der anderen Seite boomt das Geschäft mit der Sexualität wie nie zuvor.


Abkehr von der Lust?
Indikator hierfür ist die Erotikmesse in Berlin - die weltweit größte Veranstaltung ihrer Art -, wo sich ein paar Hundert Aussteller aus achtzehn Ländern treffen. Das Geschäft mit der Lust wächst hierzulande jedes Jahr um mehrere Millionen Euro. Deutschland ist neben den USA der zweitgrößte Markt für erotische Artikel. Weltweit werden in dem Geschäft momentan über zwei Milliarden US-Dollar umgesetzt. Wurde in den Wohnstuben der Fünfziger das Thema "Sex" noch unter den Teppich gekehrt, tobte in den Beziehungskisten der siebziger Jahre die sexuelle Revolution.


Freier und lustvoller Sex war angesagt
Doch heute scheinen sich die jungen Lover wieder zurückzuziehen. Der Sexualwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Klaus M. Beier von der Humboldt-Universität zu Berlin erkennt bei den Jugendlichen einen zunehmenden Wunsch, in Beziehungen Vertrauen, Geborgenheit und Sicherheit zu finden und weniger die Lust darin zu suchen. Trotz der Hinwendung zu diesen traditionellen Werten gehen immer mehr Menschen eine reine "Geschäftsbeziehung" mit der Erotik ein. Geheime Wünsche erfüllen sich so ohne lange Diskussionen. Beier erklärt dies damit, dass die intendierte Geborgenheit innerhalb einer festen Beziehung mitunter wenig mit Sex zu tun habe. In einer solchen Situation, so Beier, sei gut nachvollziehbar, dass Wünsche anfluteten, die man durch die Kommerzialisierung der Sexualität zu erfüllen suche. Unter den "außergewöhnlichen" Sexualpraktiken ist der Sado-Maso-Kult schon seit Jahren sehr gefragt. Beier bestätigt amerikanische Untersuchungen, nach denen sich masochistische Erlebensweisen häufiger in höheren sozialen Schichten finden als in niedrigeren.


Besonders gestresste Manager begeben sich immer öfter in die Obhut dominanter Frauen
Der totale Rollenwechsel bereitet offenbar maximale Lust.  Die käufliche Sexualität nutzt zunehmend auch die neuen Medien. Nicht nur Nullhundertneunziger-Nummern sind heiß begehrt, sondern auch erotische Webseiten. Da diese sogar problemlos von Kindern zu erreichen sind, ist die Verbreitung solcher Inhalte im Netz nicht frei von Gefahren. Ansonsten gilt auch Online die Devise, dass alles sein kann, was gefällt, solange kein anderer daran Schaden nimmt. Insgesamt sind die Sexualwissenschaftler davon überzeugt, dass die Enttabuisierung des Themas seit den siebziger Jahren unsere Lebenskultur durchaus bereichert hat - trotz der gewaltigen Kommerzialisierungs-Welle der letzten Jahre.

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