Bedrohte Exzesse

Ein Junggesellinnen-Abschied kann bei uns schon mal feucht und fröhlich werden. Aber wenn Engländerinnen auf den Putz hauen, dann ist das Exzess pur. Eine schöne Sache, finden wir. Doch die Wirte fürchten die marodierenden Mädels mehr als eine Hunnen-Invasion.
Wenn Engländerinnen vor der Hochzeit ihren Junggesellinnen-Abschied feiern, dann sieht ein deutscher Kegelausflug dagegen aus wie eine Freizeitaktivität vom Seniorenstift. Die so genannte Hen-Night ist nämlich ein Abend, an dem alles geht. Doch leider wollen irische und englische Wirte dem Treiben Einhalt gebieten. Denn so wild wollen sie die Damen dann doch nicht sehen.

Mirandas Busen-Freundin Sharon heiratet in zwei Tagen und Miranda hat deshalb einen wichtigen Job. Wichtiger als der des Trauzeugen. Denn Miranda ist für die Hen-Night verantwortlich. Wenn alles gut läuft, dann erhält Sharon an diesem Abend mindestens ein attraktives und unseriöses Angebot, greift dem bestellten Matrosen-Stripper kühn in den Schritt, und am nächsten Tag weiß sie nicht mehr, dass sie vor den Toiletten mit einem Unbekannten geknutscht hat. Die Mädels diskutieren dann im engsten Kreis - also ohne Bräutigam - ob man auf den Polaroids sieht, dass der Leicht-Matrose seine Hände auf oder unter ihrem Rock hatte. Hen-Nights sind strategisch geplante Komplett-Abstürze. Und sie verdienen nicht nur wegen ihrer Organisationsleistung unseren Respekt. Vor allem weil wir dachten, dass sich englische Ladies after eight nichts Schöneres als ein gepflegtes Minze-Schokoladenplättchen vorstellen können. Pralinen gibt's für Sharons Freundinnen übrigens auch. Sie sind wahlweise mit einer weißlichen Creme oder einem Kondom gefüllt und haben die Form eines Penis. Man sieht schnell worauf es bei der Hen-Night ankommt. Enthemmung, Entgrenzung und vielleicht auch eine Begegnung, von der man seinem Zukünftigen nicht unbedingt erzählen sollte. Zu diesem Zweck schrecken einige Hennen nicht mal vor Verkleidungen zurück. Beliebte Themen: die freizügige Matrosin, das vorlaute Schulmädchen mit Lolita-Effekt oder die leicht geschürzte Serviererin. Miranda und Sharon haben sich für die Schuluniform entschieden. Selbstverständlich tragen sie dazu die obligatorischen Penis-Ohrringe. Bereits am Flughafen von Dublin hat Miranda ihre Clique mit einer Stretch-Limousine überrascht. Darin gibt's ein bisschen Kicherwasser, um in Stimmung zu kommen. Später im Karaoke-Laden läuft auch alles wie geschmiert. Zu "It's rainig men" zieht sich der bestellte Matrosen-Stripper bis auf den G-String aus. Und zwar so nah vor Sharon, dass sie beinah die schwenkbaren Teile im Gesicht hat. Sie grölen, und nur die alkoholungewohnte Siobhan muss sich auf der Toilette bereits jetzt von ihren vier Baileys verabschieden.

Der wirkliche Dämpfer aber kommt später. In einem angesagten Club sagt ihnen der Türsteher, man feiere heute privat. Dabei hatte Miranda sich vorher eigens erkundigt, ob der Laden an jenem Abend geöffnet sei. Tatsache ist, dass immer mehr Clubs ausdrücklich keine so genannten Single-Gender-Parties wünschen. Sprich: Keine Hen-Nights. Müssen wir da nicht im Sinne europäischer Solidarität Ausweich-Domizile anbieten? Ein Schwung amüsiergieriger Hennen belebt garantiert jeden deutschen Club. Auf jeden Fall wäre es eine Alternative zum alljährlichen Weihnachtsmarkt-Tourismus der Briten. Schließlich hieß es doch schon in den 80ern: "Her mit den kleinen Engländerinnen." Sharon hat an dem Abend übrigens nicht mehr geknutscht. Allerdings war sie so betrunken, dass sie im Bett von Miranda auf einer Tüte Fritten eingeschlafen ist.